Hier soll vor allem der Zeitraum behandelt werden, in dem sich die Welpen in der Hand der Züchter befinden. In dieser Zeit tragen Züchter die volle Verantwortung für die körperliche, besonders aber für die seelische Entwicklung der Welpen.
Es sollte eigentlich klar sein, dass der gute Züchter längst mit allen Möglichkeiten der Entwicklungsförderung der Welpen vertraut ist. Das Wissen um diese Erkenntnisse sollte klar zum Handwerkszeug eines jeden Züchters gehören. Erfahrung hilft natürlich viel, aber man kann durchaus über viele Jahre alles falsch machen und große Erfahrung darin besitzen. Würden alle Züchter richtig handeln, gäbe es viel weniger Probleme mit dem sog. „Wesen“ des Hundes. Man muss allerdings einräumen, dass selbst die besten Züchter eine völlig verfehlte weitere Aufzucht durch die neuen Welpenbesitzer kaum verhindern können.
Ist er ein guter Züchter, so handelt er danach und weiß dies längst. Und noch etwas kommt hinzu. In dieser Phase ist es ebenfalls sehr wichtig, den Welpen verschiedene Umweltbedingungen zu bieten und sie mit den verschiedenen Umweltreizen (wie Licht, Geräusche, Lärm, Bewegungen etc.) zu konfrontieren. Sie sollten also kurzfristig und immer wieder durchaus einer kurzen Stressaktion ausgesetzt werden (z.B. lautes Geräusch, in einen fremden Raum setzen, auf unbekannten Boden gehen lassen etc.). Diese Methode macht die Welpen weitgehend sicher in jeder fremden Umgebung und unbekannter Situation, soweit dies eben möglich ist. Macht man das alles nicht, zeigen die Welpen Angst in jeder neuen Umgebung, stehen wie paralysiert da, zittern, etc. Angstphasen gibt es ohnehin später immer wieder, doch werden sie durch dieses Training stark gemindert. Auch in diesem Punkt hat also der Züchter eine gewaltige Verantwortung und kann enorm viel tun und verbessern. Sicher spielt auch die Vererbung bestimmter Anlagen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Aber ein Welpe mit „nicht so guten“ Anlagen kann durch diese Förderung immer noch besser werden als einer mit „guten“ Anlagen ohne Förderung.
Nochmals zurück zu den Spielstunden. In dieser Zeit kann beides kombiniert werden. Fremde Umwelt und enger Kontakt mit dem Menschen oder zunehmend laute Geräusche durch den Menschen mitten im Spiel. Nach kurzer Zeit gewöhnen sich die Welpen daran. Ganz wichtig ist auch, daß ihnen Spielzeug angeboten wird. Damit können viele weitere Fähigkeiten gefördert werden. In den letzten Teil der Prägungsphase oder in den ersten Teil der SOZIALISIERUNGSPHASE fällt meist die Abgabe der Welpen an die Neubesitzer. Obwohl sich hier die Geister ein wenig scheiden, sollten doch die Welpen eher nicht zu spät
abgegeben werden. Das Eingliedern in die neue Familie gelingt mit einem 8 Wochen alten Welpen sicher besser als mit einem 10 Wochen alten, der sich längst in der sog. Sozialisierungsphase befindet.
Abschließend noch folgendes: Natürlich können auch „schöne“ Hunde gezüchtet werden, ohne dass die oben angeführten – in meinen Augen – absolut notwendigen Förderungen durchgeführt werden. Die Welt ist voll von solchen armen Geschöpfen. Viele von ihnen sind reine Zwingerhunde, die vielleicht (hoffentlich) mit dem Besitzer oder Züchter noch guten Kontakt haben, aber sonst nur ihren engen Lebensbereich kennen. Kommen sie in fremde Umgebung, sind sie voll Angst, die bis zur Panik reichen kann, ganz abgesehen von aggressiven Verhaltensweisen. Es bedarf stärkster Liebe und Zuwendung und vor allem unendlicher Geduld, um diesen armen Wesen wieder ein wenig Selbstsicherheit und Lebensqualität zu geben. Es liegt in der Hand der Züchter, enorm viel zu einer Verbesserung beizutragen. Kommt noch eine Selektion auf Hunde mit „guten“ Verhaltensanlagen hinzu, haben wir das Optimum. Und das ist bei unseren Neufundländern durchaus machbar.
Im deutschen Sprachraum war es vor allem der Lorenz-Schüler Eberhard Trumler, der sich intensiv mit den Entwicklungsphasen der Welpen befasste und das Wissen darum populär machte. Tatsächlich wurden durch genaue Untersuchungen über die Verhaltensentwicklung nicht unerhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Rassen gefunden. Eine besonders ausführliche Beschreibung gibt Frau Feddersen-Petersen in ihrem Buch „Hunde und ihre Menschen“ (Franck-Kosmos Verlag). Sie untersuchte genau die Entwicklung der verwandten Rassen Labrador und Golden-Retriever. Auch auf sog. „Wesenstest“ und die Beurteilung von Ankörungen wird genau eingegangen. Trotzdem gibt es natürlich relativ ähnliche Entwicklungsphasen, die bei allen Hunderasse einigermaßen übereinstimmen.
Im folgenden Abschnitt soll auf einige Erkenntnisse im Zeitraum der frühen Entwicklungsphasen eingegangen werden:
DIE ERSTEN 2 WOCHEN im Leben eines Welpen werden meist als VEGETATIVE PHASE bezeichnet. In diesem Zeitraum dominiert klar das angeborene Verhaltensinventar, das bereits bei der Geburt voll entwickelt ist. Suchpendeln des Kopfes, Kreisbewegungen, Strampeln, Maulöffnen, Fellbohren, Lecksaugen, Milchtritt mit den Vorderpfoten, Abstemmen mit den Hinterpfoten und Unlustlaute.
Sozialkontakte gibt es noch keine, ebenso wenig wie Umweltbezug oder Lernen. Die Wärmeproduktion des Körpers setzt erst langsam ein, weshalb es zur „Häufchenbildung“ besonders bei kälterer Außentemperatur kommt. Die Augen öffnen sich so um den 10. Bis 13. Tag, doch sehen die Welpen noch nichts.
Die 3.WOCHE wird nach Trumler als ÜBERGANGSPHASE bezeichnet. Die Riechleistung beginnt sich zu entwickeln und etwa ab dem 17. Bis zum 21. Tag können die Welpen sehen und hören. Umweltbezug, Kennenlernen von Mutter und Geschwistern setzen ein. Die Fortbewegung wird zielgerichtet. Kriechlaufen geht in erstes noch sehr wackeliges (bes. hinten) Gehen über. Rasend schnell nehmen die Fähigkeiten und Aktivitäten des Kleinen gegen Ende der Übergangsphase zu. Die Kontaktaufnahme mit den Geschwistern wird intensiver.
AB DER 4. BIS ZUR 7. ODER 8. WOCHE spricht man von der PRÄGUNGSPHASE. Die Sinnesorgane sind nun voll entwickelt. Die Fähigkeiten zur Fortbewegung nehmen rasch zu. Ersten Traben setzt ein. Das Spiel der Kleinen untereinander intensiviert sich. Lernen ist bereits voll ausgeprägt. Die Neugier nimmt ständig zu. Die Kleinen beginnen auszuschwärmen und alles zu untersuchen. Die Milchzähne brechen durch und feste Nahrung kann aufgenommen werden. Bis zum Ende der 7. Woche nimmt meist auch die Milchleistung der Mutterhündin stark ab, so dass die Zusatznahrung langsam immer wichtiger wird.
Hier soll nun noch relativ kurz auf die weiteren Entwicklungsphasen des heranwachsenden Welpen eingegangen werden:
Beim neuen Welpenbesitzer wird sich nun zeigen, was aus dem entzückenden kleinen Hundekind werden kann. Der Züchter legte die Basis, doch der persönliche und unverwechselbare Charakter tritt nun voll zu Tage.
Lassen wir für die folgenden Ausführungen den Sonderfall beiseite, bei dem der kleine Welpe beim Züchter selbst bleibt. In den meisten Fällen verlässt der Welpe Mutter, Geschwister sowie die gute bekannten Menschen und eventuell Hunde und kommt in eine ihm fremde Umwelt.
Wenn der Welpe gut auf Menschen geprägt wurde und auch „Umwelterfahrung“ hatte, wird es meist nicht allzu lange dauern, bis er den Trennungsschmerz überwunden hat. Bei manchen Welpen scheint es nicht die leisesten Übergangsprobleme zu geben. Sie vertrauen den „neuen“ Menschen sofort. Sind von Beginn an unbekümmert und frech. Andere wiederum sind ebenfalls schon voll Vertrauen zum Menschen, erweisen sich aber als „Seelchen“. Sie brauchen ein wenig länger, bis sie sich anpassen. Öfter bleiben diese Hunde ihr ganzes Leben lang sensibler und ganz besonders zugetan.
In seltenen Fällen – und eigentlich sollte es beim Neufundländer nicht vorkommen – können Welpen auch scheu, misstrauisch, zurückhaltend, ja sogar knurrig sein. Die Ursachen dafür sind nicht immer leicht zu ergründen. Man muss die Vorgeschichte kennen. Falsche Aufzucht (s. oberen Teil der Welpenentwicklung), Veranlagung oder besonders einschneidende Erlebnisse (oft auch eine Kombination) können die Ursache sein. Besonders liebevoll und vor allem geduldige Behandlung ist notwendig. Diese Beschreibung weniger Beispiele ist natürlich sehr grob und stark vereinfacht. Es gibt in Wirklichkeit viele Abstufungen und feine Unterschiede. Jeder Welpe ist eine eigene unverwechselbare Persönlichkeit. Es muss daher noch einmal auf das hervorragende Buch von Frau Dr. D.Feddersen-Petersen „Hunde und ihre Menschen“ hingewiesen werden, in dem die Verhaltensentwicklung von Hunden im Detail dargestellt wird.
Wenn der Welpe in sein neues Heim kommt, befindet er sich in der sog. SOZIALISIERUNGPHASE (nach E.Trumler), DIE ETWA BIS ZUR 12./13.WOCHE reicht. In der Natur würde jetzt der Vater oder bei Fehlen, die Mutterhündin den Welpen erziehen. In unserem Fall muss natürlich der Mensch die Erziehung übernehmen. Dies sollte vom ersten Tag an mit liebevoller Konsequenz geschehen. Der kleine Welpe wird z.B. durch Hilfsstellung (etwa Belohnung) rasch stubenrein werden und bald erkennen, was „nein“ bedeutet. Das Spiel mit dem Welpen ist von überragender Bedeutung. Dadurch festigt sich die Mensch-Hund Beziehung ganz besonders und legt den Grundstein für die künftige Lernbereitschaft. Gewöhnung an fremde Umwelt, Menschen und Hunde sollte langsam einsetzen. Gegen Ende dieser Phase und mit Beginn der sog. RANGORDNUNGSPHASE (etwa bis zum 4./5. Monat) kann durchaus schon mit ganz kurzen Übungen begonnen werden.
Auch die Möglichkeit, Wasser kennen zu lernen, sollte man dem Welpen bieten. Er wird bald viel Spaß daran haben. Etwa bis zum 7. Monat entwickelt sich im Normalfall die freiwillige Einordnung, Gefolgstreue und Freude an Zusammenarbeit. Die Bindung hat sich gefestigt. Wenn all dies entritt, kann später nicht mehr allzu viel schiefgehen und der Welpe reift zu einen typischen Neufundländer heran.
Verfasser Dr. Heinz Juan